Hundeschule Rotter

Definition, Merkmale, Funktion

Mit dem Wort Dominanz fuchtelt einfach jeder einmal herum. Hundehalter, Hundetrainer, Hundekenner, Hundezüchter, Verkäufer im "Fressnapf" usw. Und meistens meint jeder etwas anderes damit. Häufig werden Hunde als dominant bezeichnet, die sich stark selbst darstellen und selbstbewusst auftreten. Manche begründen auf diese Art, warum der eigene oder der fremde Hund ständig Streit sucht. Andere nennen jeden knurrenden Hund als dominant, unabhängig von der Situation.

Letztendlich ist es so, dass überhaupt gar kein Hund "dominant" sein kann. Dominanz beschreibt nämlich nicht und niemals die Eigenschaft eines Individuums, ist gar keine Charaktereigenschaft. Dominanz beschreibt eine bestimmte Beziehung zwischen zwei oder mehr Individuen. Es kann also nur ein Hund dominant gegenüber einem anderen sein, und dieser andere kann wiederum dominant gegenüber dem nächsten auftreten, aber keiner dieses Hunde ist für sich dominant.

Dominanz 1          Dominanz 3          Dominanz 8

Die Definition: Hier habe ich einmal die Definition der bekannten Ethologin Dorit Feddersen-Petersen rausgekramt. "Dominanz bedeutet, dass in einer dyadischen Beziehung A regelmäßig die Freiheit von B einschränkt bzw. sich selbst ein hohes Maß an Freiheit zugesteht, ohne dass B effektiv etwas dagegen tut, sondern B akzeptiert die Einschränkung."

Um in einer Beziehung zwischen zwei Hunden von Dominanz zu sprechen, müssen also einige Kriterien erfüllt sein:

1. Es geht um zwei (oder mehr) Hunde, die sich zueinander dominant bzw. sub-dominant verhalten.
Dominanzverhalten kann nur zwischen zwei oder mehr Hunden auftreten - ein Hund alleine im Wald kann sich nicht dominant verhalten. Wem gegenüber denn? Dominanz braucht immer ein Gegenüber. Dieses Gegenüber wird übrigens als Subdominanz bezeichnet. Dies gilt natürlich nicht nur für dyadische Beziehungen (zwischen zwei Hunden), sondern auch unter mehreren Hunden.

2. Das einschränkende Verhalten muss regelmäßig zwischen denselben Hunden statt finden. Regelhaftigkeit ist das Zauberwort: Die Einschränkungen müssen wiederholt und zuverlässig auftreten - und zwar häufiger, als dass es "normalen" Zufall zugeschrieben werden kann.
Wenn also Snoopy fünf Mal im letzten Monat seiner Freundin Smilla im Weg stand, sodass sie um ihn herum gehen musste, dann muss dies nicht dominant gewesen sein, sondern war womöglich auch ein einfach nur unschlaues Rumstehen ohne weitere Absichten.

3. Dominantes Verhalten muss einschränkend wirken!
Generell schränkt der dominante Hund die Verhaltensmöglichkeiten seines Gegenübers ein - insbesondere die Bewegungsfreiheit.
Versperrt Hund Niko dem Hund Miro den Weg durch die Wohnzimmer-Tür, aber es gibt noch drei andere Türen ins Wohnzimmer, so fand keine Einschränkung in dem Sinne statt.
Gleiches gilt für Hund Olga, die ganz bestimmt und mit Absicht sich auf das einzige weiche Hundebett weit und breit legt, damit Hund Lucy nicht auf ebendiesem liegen kann. Da Hund Lucy aber sowieso viel lieber auf dem kalten Fliesenboden liegt, fühlt sie sich überhaupt nicht eingeschränkt in der Wahrnehmung ihrer Wünsche. Also: kein dominantes Verhalten.

4. Das einschränkende Verhalten muss erfolgreich sein.
Sonst war es nur der Versuch, sich dominant zu verhalten. Dominanz liegt nur dann vor, wenn der Eingeschränkte seine Einschränkung ohne deutliche oder effektive Gegenwehr erduldet, akzeptiert. Der subdominante Hund spielt also eine wichtige Rolle, denn sein Verhalten bestimmt die Effektivität der einschränkenden Verhaltensweisen des dominanten Hundes.
Möchte Hund Nesta also Hund Putin den Weg verstellen, aber Putin geht einfach drumherum, hat Nesta sich nicht dominant verhalten. Er hat es nur versucht. Putin hat die Einschränkung nicht geduldet, und kann deswegen auch nicht als subdominant bezeichnet werden. Ganz bestimmt haben beide Hunde mit hoch erhobenen Köpfen und aufgerichteten Ruten ganz toll einander imponiert - aber ein dominantes Verhalten fand an dieser Stelle nicht statt.
Dasselbe gilt für Hund Africa, welche permanent den Hund Minza durch Drohfixieren einschränkt. Die arme Minza hört daraufhin jedes Mal mit ihrer aktuellen Aktivität auf, und setzt oder legt sich mit zurückgelegten Ohren still und ruhig hin. Minza zeigt also passive Demut (passive Unterwerfung) als Antwort auf Africas Einschränkung. Wenn da nicht das leise Knurren, das bisschen Zähneblecken in Minzas Mimik wäre. Auch wenn es sich nur um einen sehr leichten Protest handelt - in diesem Moment ist es keine "Dominanz-Situation" mehr.

5. In einer dominanten Beziehung sind die einschränkenden Verhaltensweisen unidirektional (nur in eine Richtung verlaufend).
Das bedeutet, dass die dominanten Verhaltensweisen immer vom selben Hund an den anderen gerichtet sind und nicht im Wechsel oder mal so, mal so. Ich habe einige Artikel zum Thema gelesen: Manche Ethologen bestehen auf "immer" unidirektional, andere auf "überwiegend" unidirektional.

6. Dominantes Verhalten wirkt sich nicht zwangsläufig negativ auf die "gute" Beziehung zwischen zwei Individuen aus.
Unbeeinträchtigt von einseitig verlaufenden, regelmäßigen Einschränkungen zwischen zwei Hunden können dieselben Hunde an anderer Stelle freies Spiel und annäherendes Sozialverhalten zeigen.
Auch wenn Hund Maya in der Beziehung zu Hund Miro die Dominante ist, finden täglich entspannte Raufspiele miteinander statt. Morgens warten beide Hunde Nase an Nase freudig auf ihr Frühstück und abends schlafen sie Po an Po ein. Nahezu jede Beziehung zwischen zusammenlebenden Hunden ist durch Dominanz-Subdominanz gekennzeichnet, was völlig okay und gut so ist. Im Gegenteil, solche klaren Strukturen unter den Hunden führen häufig zu mehr Enstpannung, Ruhe, Harmonie, Sicherheit, Vertrauen, Wohlfühlen. So sind Dominanz und auch Aggression wohl ursprünglich mal gedacht gewesen!

Die Rand-Infos: Für alle, die es noch genauer wissen möchten, hier noch ein paar mehr oder weniger interessante Fetzen rund ums Thema Dominanz.

- Das Verhalten eines Hundes kann sich stark unterscheiden abhängig von seinem Gegenüber. So kann es sein, dass Hund A dominant gegenüber Hund B, C und D auftritt, aber sich subdominant verhält im Umgang mit den Hunden E, F und G. Solche Strukturen kennt ihr bestimmt auch alle von euren Hunden im Kontakt mit Artgenossen. Besonders spannend ist dies natürlich bei exzessiver Mehrhundehaltung. Klare Empfehlung!

- Durch die unterschiedliche Qualität der verschiedenen Beziehungen zwischen mehreren Hunden kommt es zu "abhängigen Rängen". So kann die Anwesenheit oder die Abwesenheit des einen Hundes einen anderen Hund im Rang auf- oder absteigen lassen.
Klingt irgendwie theoretisch, aber mal ehrlich: Wer Geschwister hat, kennt es! Kaum ist Papa weg, dann hat der große Bruder die Nase vorn. Aber wenn der große Bruder weg ist, dann ... usw. Gleiches findet man auch an vielen Arbeitsplätzen wieder, sofern dieser hierarchisch gestaltet ist.

- Es kann sein, dass auch eng oder lange zusammenlebende Tiere keine Dominanzbeziehung untereinander ausgeformt haben. Die ist zum Beispiel auch der Fall, wenn ein weiteres Tier dominant über diese Tiere ist und im Zuge dessen die Interaktionen zwischen den Subdominanten stark einschränkt. Der Obermufti beschäftigt also nur Mindestlöhner, und die haben alle nichts zu sagen! ;)

- Auch wenn heutzutage Begriffe wie Dominanz, Rangordnung, Hierarchie unter Hundeliebhabern total verpönt sind: in der Verhaltensbiologie alles noch gängige, brauchbare und klar definierte Phänomene. Und auch weiterhin wird an all diesen sozialen Strukturen unter Hunden und Wölfen geforscht. Regemäßig erweitert sich unser menschliches Verständis diese spannenden Zusammenhänge um ein weiteres Puzzlestück.
Was schon länger etabliert ist, ist der Zusammenhang zwischen Dominanz-Beziehung und Rangordnung. Für Ethologen sind z. B. die einzelnen Dominanzbeziehungen zwischen den Tieren einer Gruppe von Interesse, um so das Sozialverhalten der ganzen Gruppe zu charaktierisieren. Man schließt also von der Gesamtheit aller Dominanzbeziehungen auf die soziale Rangordnung/Hierarchie. Bei Wölfen und Haushunden gibt es dabei ganz verschiedene Möglichkeiten, wie eine solche Rangordnung strukturiert sein kann. Auf Schaubildern sieht man dann entweder Dreiecke, Pyramiden oder parallel verlaufende Straßen, letztendlich ist es ein super komplexes Feld, und vieles ist möglich. Wort zum Sonntag!

- Beziehungen und Ränge ändern sich in Gruppen! Dominanz tritt in so vielen Facetten auf, und Beziehungen sind so vielschichtig und wandelbar. Und so Hunde entwicklen sich ja bekanntlich von früh bis spät. Es kann also durchaus sein, dass Hund zwar die längste Zeit seines Lebens dominant gegenüber Hund B war (!), sich aber mit dem Altern von Hund A oder dem Erwachsenwerden von Hund B dieses Verhältnis mehr oder weniger schnell umkehrt. Dieser Prozess ist völlig normal und natürlich, lässt sich verhaltensbiologisch auch gut begründen. Steckt die Beziehung zwischen zwei Hunden also besser nicht dauerhaft in eine Schublade, sondern haltet einen Blick offen auf mögliche Veränderungen. Es ist so spannend.

- Im Rahmen von sozialem Explorationsverhalten entdeckt man auch oft Hunde, die "mal etwas ausprobieren" und sich mehr oder weniger geschickt in dominanten Verhalten üben. Ohne vielleicht zu wissen, was sie genau wollen und wo die Reise hingeht. Der Ausdruck des "neu-dominanten" Hundes ist dann in der Regel mischmotiviert, d.h. man kann von außen erkennen, dass der Hund sich zwischen zwei Antrieben nicht entscheiden kann und ggf. hin- und her changiert. So wirkt der Hund in der einen Sekunde selbstsicher, in der nächsten unsicher usw. Der Gegenüber-Hund merkt dies natürlich und so scheitern solche erste Einschränkungsversuche auch schon einmal öfter.

- Man kann ein bestimmtes Ausdrucksverhalten nicht als dominant bezeichnen, aber natürlich liefern das Ausdrucksverhalten aber wichtige Hinweise zur Bestimmung des sozialen Status und möglicher Dominanzbeziehungen.
So ist ein Hund, der in einer dauerhaft zusammenlebenden Gruppe besonders auffällig und häufig mit geschwollener Brust und erhobener Rute durch die Gegend stolziert, nicht auch deswegen ein sozial ranghoher Hund, der in vielen Beziehungen zu anderen Hunden dominant ist. Aber es kann natürlich sein, dass ein Hund mit hohem Status und vielen dominanten Beziehungen auch häufiger in eben solcher imponierenden Körpersprache zu sehen ist als andere Hunde mit niedrigerem Status. Vereinfacht gesagt. Hierzu erstellen Verhaltensforscher gerne schon einmal wirre, bunte Schaubilder, die die Korrelation zwischen bestimmten Körperausdrücken und dominanten Verhalten und/oder sozialem Status versinnbildlichen sollen. Gerne wird dann Bezug genommen auf noch mehr Schaubilder, die dann fantasievolle Namen tragen wie "Dominanzmatrix" oder "Rangordnungsschema, dominantes Verhalten". Und nachher weiß man: es gibt bestimmte Indizien, die darauf hindeuten könnten, dass ... (besonders schön imponierende Hunde total dominant sind), aber so ganz platt kann man es dann doch nicht sagen und so ganz sicher erforscht und belegt ist es leider auch noch nicht. Wissenschaftler halt!

Dominante Verhaltensweisen: Um mal wieder etwas konkreter zu werden, zähle ich noch schnell diejenigen Verhaltensweisen auf, die bei Wölfen und Haushunden zu den dominanten Verhaltensweisen gezählt werden. Auch dies frei nach der Ethologin Dorit Feddersen-Petersen.

- Verdrängen (der dominante Hund geht auf den anderen zu, der subdominante Hund weicht aus)
- Weg verstellen (der subdominante Hund wird am Weitergehen gehindert und muss stehen bleiben, dazu gehört auch die "T-Stellung")
- „Blickfixieren“ oder „Festhalten“ (der subdominante Hund wird nur durch reines Drohfixieren zum Stehenbleiben gezwungen)
- Bewegungskontrolle (der Dominante sucht den Subdominanten auf, drohfixiert ihn aus direkter Nähe und zwingt ihn so zur Regungslosigkeit)
- Runterdrücken (der dominante Hund drückt den anderen mit seinen Vorderbeinen zu Boden und hält ihn dort)
- In die Ecke drängen (hierfür werden Wände, Bäume, etc. benutzt
- der subdominante Hund kann sich nicht mehr wegbewegen)
- Zwicken (kurzes Vorstoßen mit Schnauze und Zähnen durch den dominanten Hund)
- Verprügeln (Angriff, gehemmtes Beschädigungsbeißen)

In allen Fällen ist es übrigens so, dass der dominante Hund die Situation beendet. Der subdominante Hund muss so lange in seiner Position verharren, bis der dominante von ihm ablässt und geht. Bewegt der subdominante Hund sich "unerlaubterweise", kann es zum Angriff durch den dominanten Kollegen kommen. Aus diesem Grund ist es NICHT ratsam, seinen gerade subdominanten Hund aus solchen Situationen abzurufen.

Dominanz anzeigende Verhaltensweisen: Diese Verhaltensweisen sind zwar nicht zu 100% einschränkend, aber man kann sehr deutlich das Dulden oder Nicht-Dulden des Verhaltens erkennen.

- Über die Schnauze beißen (protestiert der "Gebissene" mit Zähneblecken oder wird es ergeben hingenommen?)
- Quer aufreiten (geht der "Bestiegene" ungerührt weiter seines Weges, wehrt er sich, oder bleibt er stehen und wartet demütig ab?)

Unterwürfiges Verhalten: wird vom subdominanten Hund gezeigt als Ausdruck der Akzeptanz. Der Subdominante duldet in demütiger Körpersprache, dass der Dominante ihn gerade einschränkt.

- aktive Unterwerfung (aktive Demut) - mit viel Bewegung, Blickontakt zum Gegenüber, Schwanzwedeln, z. B. Schnauze des anderen lecken
- passive Unterwerung (passive Demut) - fast gar keine Bewegung, Blickvermeidung, z. B. auf den Rücken rollen und liegen bleiben

In beiden Fällen wartet der unterwürfige Hund mit geduckter Körperhaltung, angelegten Ohren, zurückgezogenen Mundwinkeln und niedrig gehaltener Schwanzwurzel auf.

Zum Weiterlesen: Über Dominanz wird immer viel geschrieben. Wer sich genauer informieren möchte, sollte einen genauen Blick auf die Quelle werfen. Wer ist der Autor, wo hat er sich gebildet und woher bezieht er seine Informationen? Ich habe es heute hier einfach, ich habe mich in Sachen fachliche Infos auf Dorit Feddersen-Petersen beschränkt und zwei Seminar-Mitschriften sowie ihre beiden dicken Bücher zur Hilfe genommen.

Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Ausdrucksverhalten beim Hund. Kosmos Verlag, 2008.
Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Hundepsychologie. Kosmos Verlag, 2004.

Außerdem hat auch die Verhaltensbiologin Dr. Marie Nitzschner einige Artikel zur Dominanz auf ihrem Hunde-Wissenschafts-Blog "Hundeprofil" veröffentlicht. Zu finden unter: www.hundeprofil.de

Dominanz 5          Dominanz 6          Dominanz 7 W

Fazit: Dominanz bezeichnet eine Eigenschaft von Beziehungen und nicht von Individuen! Wer sich das merken kann, hat schon das Wichtigste verstanden. Ansonsten spielt die Regelhaftigkeit und der tatsächliche Erfolg von einschränkenden Verhaltensweisen eine große Rolle. Wer beurteilen möchte, ob ein Hund sich gerade dominant verhält oder nicht, kann sich an bestimmten Verhaltensweisen und an der jeweiligen Körpersprache orientieren. Situationen, die häufiger auftreten, eignen sich gut zum Filmen - so kann man im Nachhinein noch besser erkennen, ob Dominanz und Subdominanz vorliegen. Hunde, die sich ab und an mal im Wald begegnen und einander einschränken, sind in der Regel nicht in dominant und subdominant zu definieren. Die Flüchtigkeit solcher Beziehungen schließt häufig eine verlässliche Regelhaftigkeit als Kriterium für Dominanz aus. Außerdem ist Dominanz per se nichts Schlimmes oder Unangenehmes, sondern normales und notwendiges Sozialverhalten. Und: egal, wie sehr euer Hund gerade durch den Wald marodiert und auch wenn er sich benimmt wie der letzte Sklaventreiber - der Hund ist vielleicht ein Vollidiot, aber er ist definitiv nicht dominant. ;)